WELTWORTREISENDE - 5. Transnationale Grazer Literaturtage

Die Opazität, « Lichtundurchlässigkeit », bildet den Ausgangspunkt der fünften Ausgabe des Weltwortreisende-Festivals, wurde vom aus Martinique stammenden Dichter und Philosophen Édouard Glissant in seinem Werk Poétique de la Relation entwickelt. In einer Welt, die sich durch eurozentristische Kanonisierung, binäre Denkmuster, binäre sowie homogenisierende und universalisierende Herrschaftsstrukturen definiert, fordert Edouard Glissant das „Recht auf Intransparenz für alle“. Jede:r Einzelne, jedes Volk hat das Recht, nicht verstanden zu werden. Dabei handelt es sich nicht um Verblendung oder Rückzug, sondern um die Wertschätzung der eigenen Differenz und Besonderheit, es ist eine Befürwortung der Unbeugsamkeit und des Widerstands gegen die Kategorisierungen und Erniedrigungen, die koloniale und nationalistische Diskurse zur Folge haben. Opazität erlaubt, sich im gegenseitigen Respekt dem Anderen zu öffnen, ohne sich zu verbiegen. Für Glissant werden Menschen nicht durch ihre Abstammung definiert, sondern durch die Vielfalt ihrer Beziehungen zu anderen Menschen, zu Orten, Tieren, den Elementen der Natur – er nennt das die Poetik der Beziehung. In einer Welt, die zunehmend von Konflikten und Krisen geprägt ist, ist Glissants Appell zur Bewahrung des Andersseins und der Vielfalt der Kulturen und Identitäten von besonderer Dringlichkeit. Die Literatur ist der Ort par excellence der Undurchsichtigkeit. Sie ist der Raum, an dem Sprachen, Kulturen und Vorstellungen in Dialog treten und ihren Ausdruck und ihre Einzigartigkeit finden.
Kuratiert von Fiston Mwanza Mujila